DIE EWIGEN NARREN Gedanken zum Stück
Da ist der streng konservative Scheuklappenträger (Dielafoi), der sich seine geheimen Sehnsüchte nicht leben traut und all diejenigen verteufelt, die das tun. Seine herrische und bigotte Ehefrau, deren Marionette er ist (Frau Dielafoi). Die farblose Tochter der beiden, der man jegliche Eigenständigkeit aberzogen zu haben glaubt (Muriel) und die hofft, durch die Ehe mit Laurent dem Elternhaus zu entkommen - ein noch immer/wieder weit verbreitetes Motiv für eine Ehe in reaktionären, wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Eine sensationsgeile Presse in Person von Zorba, deren ständiger Hunger nach Schlagzeilen unter dem Deckmäntelchen der Aufdeckerpflicht keine Rücksichtnahme auf Privatsphäre und Humanität zulässt und Hand in Hand geht mit jenen ‚kleinen Leuten‘, deren erfolglose Größenphantasien sie zur Rache an den vermeintlich Schuldigen animiert (Mercedes). Der Zuwanderer mit Sprachproblemen (Jakob), der gerade gut genug ist, als Hausmädchen zu fungieren, selbst für diejenigen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung selbst am Rande der Gesellschaft leben (Albin, Georges).
Und dann ist da noch der Sohn (Laurent), dessen freizügige Erziehung unter dem Einfluss der 68er Bewegung den ‚Eltern‘ auf den Kopf fällt. Sie ordnen sich seinen Wünschen unter, verleugnen sich selbst, nur um ihren Liebling glücklich zu machen. Ein Problem, das der modernen Pädagogik noch lange zu schaffen machen wird.
Und zu guter Letzt die beiden Hauptfiguren (Georges und Albin), die ihre Beziehung als konservatives Klischee von heterosexuellen Paaren leben. Soll heißen: Langjährige, abgeflachte Ehe mit gelegentlichen Seitensprüngen des einen oder anderen, mit versteckten Aggressionen in Form verbaler Seitenhiebe, auch vor Gästen. Mit einer hysterischen ‚Ehefrau‘ und einem überlasteten Ehemann, der die gesamte Verantwortung für die wirtschaftliche Prosperität der Familie trägt. Eine Trennung kommt nicht in Frage, höchstens ein äußerlicher ‚Rollentausch‘ durch Wechsel der Bekleidungsart. Vielleicht auch hintergründig der Wunsch, verschiedene Geschlechterrollen leben zu können, die nicht nur am Sex und an Äußerlichkeiten festgemacht sind.
Alles in allem ein „Narrenhaus“, in dem alle lächerlich sind, was für ein Spiegel der modernen Gesellschaft! Und trotzdem ist da etwas an diesen für „Narren“ gehaltenen Männern (Georges, Albin, Jacob, Mercedes), was vermutlich alle „Normalen“ gerne täten: (Gerade deswegen nimmt man den Narren ihre Narrheit ja so übel, weil sie Dinge tun, die wir Normalen uns nicht trauen, aber auch gerne täten.) Sie leben Beziehungen - auch sexuelle – so, wie es ihren innersten Wünschen entspricht, egal, was die Welt rundherum davon hält. Sie kleiden sich, wie es ihnen Spaß macht, unüblich ist und Anstoß erregt und riskieren auch Unannehmlichkeiten. Sie zeigen ihre unorthodoxen Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit, ohne anderen dadurch zu schaden, aber konsequent und ehrlich. Letzten Endes stehen sie nicht nur für egozentrische Schrulligkeit, sondern auch für mutige Eigenart, die dem landläufigen Wunsch nach einer normalen, perfekten und homogenen Welt, in der alle und alles gleich sind / ist / sein müssen ein Schnippchen schlägt.